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Pflichtteilsergänzungsanspruch

Rechtsanwalt Pflichtteilsergänzungsanspruch und Anrechnungen auf den Pflichtteil

Neben dem regulären Pflichtteilsanspruch am Nachlass hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass dieser Anspruch nicht durch Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten geschmälert werden kann. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch stellt sicher, dass der Pflichtteilsberechtigte auch an Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten zehn Jahre beteiligt wird – und zwar in derselben Quote wie am eigentlichen Nachlass. Dabei ist zu beachten, dass für jedes Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, 10 % des geschenkten Betrags vom Anspruch abgezogen werden. Besonderheiten bestehen zudem bei Schenkungen von Immobilien gegen Wohnungsrecht oder Nießbrauch sowie bei Schenkungen an den eigenen Ehegatten.

RECHTSANWÄLTIN
BEATE WINKLER

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Fachanwältin für Erbrecht
Mediatorin

Wer hat Anspruch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch steht ausschließlich Pflichtteilsberechtigten im Erbfall zu.

Pflichtteilsberechtigt sind in erster Linie der enterbte Ehegatte sowie die Kinder des Erblassers. Sind diese bereits verstorben, treten die Enkelkinder an ihre Stelle. Gibt es weder Kinder noch Enkel, sind die Eltern des Erblassers berechtigt. Geschwister, Nichten und Neffen haben hingegen keinen Anspruch auf die Pflichtteilsergänzung.

Wann besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat und die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Reicht der Nachlass nicht aus, um die Pflichtteilsergänzungsansprüche vollständig zu decken, kann sich der Berechtigte direkt an die Beschenkten wenden.

Handelt es sich bei einer Zuwendung des Erblassers hingegen nicht um eine Schenkung – zum Beispiel, weil der Erblasser dafür eine Gegenleistung erhalten hat – besteht kein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung.

Wer muss die Pflichtteilsergänzung bezahlen?

Verfügt der Nachlass über ausreichende Mittel, ist der Erbe verpflichtet, den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu erfüllen – auch wenn der Erblasser Schenkungen an andere Personen gemacht hat.

Reicht der Nachlass jedoch nicht aus oder kann sich der Erbe selbst auf seinen eigenen Pflichtteilsanspruch berufen, besteht keine gesetzliche Pflicht, den gesamten oder einen Teil des Anspruchs zu begleichen. In diesem Fall kann sich der Pflichtteilsberechtigte direkt an die Beschenkten wenden.
Bei mehreren Schenkungen des Erblassers sollte der Berechtigte zunächst die Person ansprechen, die die zuletzt erfolgte Schenkung erhalten hat.

Berechnung des Pflichtteilergänzungsanspruchs

Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs hängt von der Pflichtteilsquote und dem Zeitpunkt der Schenkung durch den Erblasser ab.

Bei reinen Geld- oder Grundstücksschenkungen kommt das sogenannte Abschmelzungsprinzip zur Anwendung: Für jedes Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, werden 10 % des Schenkungsbetrags vom Anspruch abgezogen. Nach zehn Jahren besteht daher kein Anspruch mehr auf Pflichtteilsergänzung.

Komplizierter wird die Berechnung bei Immobilienschenkungen, bei denen sich der Erblasser ein Nießbrauch- oder Wohnungsrecht vorbehalten hat:

  • Nießbrauch: Die 10-Jahresfrist der Abschmelzung beginnt hier nicht. Stattdessen wird der Wert der Schenkung zum Todestag anhand des Verbraucherpreisindex angepasst und mit den vom Erblasser vorbehaltenen Rechten verrechnet. Ist der umgerechnete Wert am Todestag niedriger als der tatsächliche Wert der Schenkung, werden die Rechte des Erblassers abgezogen. Liegt der umgerechnete Wert höher, dient er als Grundlage für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
  • Wohnungsrecht: Nach aktueller Rechtsprechung gilt bei einem Anwesen mit mindestens zwei Wohnungen und einem Wohnungsrecht nur für eine Wohnung die 10-Jahres-Abschmelzungsregel. Nach zehn Jahren entfällt somit der Pflichtteilsergänzungsanspruch für den Berechtigten.

Verjährung Pflichtteilsergänzungsanspruch

Die Verjährung hängt davon ab, ob der Nachlass ausreicht, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu erfüllen.

  • Nachlass nicht ausreichend: Kann der Erbe den Anspruch nicht vollständig begleichen oder sich auf seinen eigenen Pflichtteilsanspruch berufen, beginnt eine taggenaue Dreijahresfrist. Diese Frist läuft unabhängig davon, ob der Berechtigte von der Schenkung oder dem Erbfall Kenntnis hatte.
  • Nachlass ausreichend: Ist genügend Nachlass vorhanden, verjährt der Anspruch drei Jahre nach dem 1. Januar des Folgejahres. Dabei ist zu beachten, dass Vergleichsverhandlungen mit dem Erben oder den Erben die Verjährungsfrist unter Umständen verschieben können.

Auf welchen Zeitpunkt kommt es bei der Schenkung an?

Bei reinen Geldschenkungen oder Immobilienschenkungen ohne Vorbehalt von Rechten ist der Zeitpunkt der Schenkung entscheidend. Der Wert der Schenkung wird dabei auf den Todestag unter Verwendung des Verbraucherpreisindex umgerechnet.

Bei Immobilienschenkungen mit Nießbrauch oder Wohnungsrechten am gesamten Objekt wird der Wert der Schenkung am Schenkungstag ebenfalls auf den Todestag umgerechnet und mit dem tatsächlichen Wert der Immobilie am Todestag verglichen. Liegt der umgerechnete Wert am Schenkungstag niedriger, können die vom Erblasser vorbehaltenen Rechte nach dem sogenannten Niederstwertprinzip bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs abgezogen werden.

Ist die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung eine Schenkung?

Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an das eigene Kind wird nach der Rechtsprechung nicht als Schenkung, sondern als Leihe angesehen. Daraus entstehen keine Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Unter besonderen Umständen kann jedoch nach § 2315 BGB i.V.m. § 2050 II BGB eine sogenannte Ausstattung vorliegen. Diese ist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch jedoch ohne Bedeutung und relevant nur im Rahmen des regulären Pflichtteilsanspruchs.

Begründen Zuwendungen unter Ehegatten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Schenkungen zwischen Ehegatten lösen in der Regel nicht die 10-Jahresfrist der Abschmelzung aus. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht. Eine Ausnahme bilden ehebedingte Zuwendungen.

Ehebedingte Zuwendungen – Bedeutung

Ehebedingte Zuwendungen liegen vor, wenn ein Ehegatte dem anderen zur Verwirklichung oder Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft etwas überträgt, mit der Erwartung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht, und dafür eine Gegenleistung erbracht wird. Ein typisches Beispiel ist ein Grundstück, das einem Ehegatten als Ausgleich für jahrelange unentgeltliche Mitarbeit im Unternehmen des anderen Ehegatten übergeben wird – in diesem Fall gilt dies nicht als Schenkung. Gleiches kann für eine altersgerechte Altersvorsorge gelten, wobei dies stets eine Einzelfallprüfung erfordert.

Wie berechne ich den Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen unter Vorbehalt eines Wohnungs- oder Nießbrauchrechts?

Bei Immobilien, die unter Nießbrauch oder einem Wohnungsrecht am gesamten Objekt verschenkt wurden, wird der Wert der Schenkung am Schenkungstag auf den Todestag umgerechnet (unter Verwendung des Verbraucherpreisindex) und mit dem tatsächlichen Wert der Immobilie am Todestag verglichen.

  • Geringerer Wert am Schenkungstag (umgerechnet): Die vom Erblasser vorbehaltenen Rechte können nach dem Niederstwertprinzip vom Pflichtteilsergänzungsanspruch abgezogen werden.
  • Geringerer Wert am Todestag: Dieser Wert ist maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs.

Muss ein Eigengeschenk auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch angerechnet werden?

Ein Eigengeschenk liegt vor, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten zu Lebzeiten eine Schenkung gemacht hat. Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs werden alle Schenkungen des Erblassers berücksichtigt, unabhängig vom Zeitpunkt. Der Wert der Schenkung wird dabei auf den Todestag mit dem Verbraucherpreisindex umgerechnet.

Für den Erben ist es daher entscheidend, alle Schenkungen zu erfassen. Er hat einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten, um zu erfahren, wann und in welcher Höhe Schenkungen erfolgt sind.

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